Heike Thormann ~ Autorin, Lektorin, Buchproduzentin


Heike Thormann, Autorin, Lektorin, Publizistin
Heike Thormann
Autorin, Lektorin, Buchproduzentin

Artikel
"24 Übungen für ein besseres Vorstellungsvermögen"

von Heike Thormann

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.

Vorstellungskraft und die Fähigkeit, sich Dinge vorzustellen, mentale, geistige "Bilder" vor dem inneren Auge sehen zu können, können für viele Dinge im Leben sehr hilfreich sein, vom Schreiben über die Ideenfindung bis zur Selbsterkenntnis und Verhaltensänderung. In diesem Artikel habe ich einige Tipps und Übungen für Sie, mit denen Sie Ihr Vorstellungsvermögen schulen können.

Neulich fragte mich ein Leser, ob ich Methoden kenne, wie er seine Vorstellungskraft verbessern könne. Er sei Heilpraktiker und wisse, wie hilfreich Visualisierungen seien. Doch wenn er selbst die Augen schließe, bliebe alles schwarz. Nur durch bewusste, entspannte Konzentration würden die ersten Bilder auftauchen. 

Auch die Teilnehmerin einer Meditationsrunde, an der ich privat teilnahm, hatte Schwierigkeiten, sich Dinge vorzustellen und "Bilder" zu sehen. 

Deshalb habe ich hier einige Übungen zusammengestellt, wie Sie Ihre Vorstellungskraft und Ihre Fähigkeit, mentale, geistige Bilder vor Ihrem inneren Auge sehen oder sogar bewusst erschaffen zu können (zu visualisieren), trainieren können.

Vorstellungskraft muss nicht immer aus "Bildern" bestehen

Achtung, gleich zu Beginn ein Hinweis: Für viele Menschen sind Vorstellungskraft, mentale, geistige Bilder und Visualisierung identisch. Doch das muss nicht so sein. 

Zum einen können auch andere Sinneskanäle beteiligt sein. Ein bekanntes Beispiel: Der Duft von einem frisch gebackenen Apfelkuchen kann Erinnerungen an die Kindheit auslösen, in der man einen solchen Apfelkuchen zu essen bekommen hat. Und sicher können sich diese Erinnerungen als mentale, geistige Bilder einstellen. Doch man kann auch (nur) die den Apfelkuchen begleitenden Gefühle, die Gerüche oder den Geschmack wahrnehmen und als Erinnerung "in den Kopf bekommen".

Zum anderen gibt es Menschen, denen es, wie oben erwähnt, sehr schwerfällt, sich etwas bildlich, als Bild vorzustellen. Dann kann es sein, dass zumindest bei manchen dieser Menschen andere Sinneskanäle stärker ausgeprägt sind.

Und es gibt sogar Menschen, die Synästhetiker, die mehrere Wahrnehmungsformen miteinander verbinden und zum Beispiel eine Zahl gleichzeitig als Zahl, als Farbe, als Ton, über ihre Position im Raum oder Ähnliches mehr wahrnehmen.

In diesem Artikel beschränke ich mich auf alles, was die Visualisierung fördert, die Vorstellung in mentalen, geistigen Bildern. Wenn Sie sich auch für andere Formen von Vorstellungsvermögen interessieren, können Sie versuchen, die folgenden Tipps und Übungen auf andere Wahrnehmungsformen zu übertragen, oder Sie können im Internet nach weiteren Anregungen recherchieren.

Welchen Nutzen haben Sie von Vorstellungskraft und einem guten Vorstellungsvermögen?

Warum machen wir uns eigentlich die Mühe? Wobei kann die Fähigkeit, etwas vor seinem inneren Auge sehen oder mentale, geistige Bilder sogar bewusst erschaffen zu können (zu visualisieren), hilfreich sein, wie es mein Leser formulierte? 

Ich nenne einmal ein paar Beispiele:

Beim Schreiben: Für Autoren von fiktionaler Literatur ist es wichtig, dass sie ihre erdachte Welt so klar wie möglich vor Augen haben, umso glaubwürdiger und authentischer werden sie schreiben. Aber auch bei Sachtexten kann eine gute Vorstellungskraft nützlich sein, zum Beispiel wenn Sie, wie ich, "pädagogisch motiviert" schreiben, Ihren Leser an die Hand nehmen und ihn ohne Stolpern auf ein zu begreifendes Lernziel hinführen wollen.

Für Kreativität und Ideenfindung: Auch etliche Kreativmethoden arbeiten mit Visualisierungen, um Gedanken und Ideen bildhaft, greifbar zu machen. So kann man seine Gedanken besser erkennen und voneinander trennen, strukturierter und zielgerichteter denken. Oder man kann im Gegenteil die Gedanken freier fließen lassen und den inneren Zensor ausschalten. Beispiele dafür sind die Kreativtechniken Clustering, Mind Mapping, Sechs Hüte des Denkens und Vistem.

Um Alternativen und Möglichkeiten zu sehen: Wir Menschen haben in der Regel einen selektiven Blick. Was wir uns nicht vorstellen, nicht als mentales, geistiges Bild "sehen" können, das liegt für uns oft auch nicht im Bereich des Denkbaren, Möglichen. Unsere Gedanken und Wahrnehmungen folgen unserer Blickrichtung. Umgekehrt sehen wir aber viele neue Dinge, Möglichkeiten, wenn wir unsere Blickrichtung ändern. Ein Beispiel: Als ich vor Jahren den Entschluss fasste, mich selbstständig zu machen, fielen mir plötzlich überall passende Informationen ins Auge. Vorher habe ich sie einfach nicht wahrgenommen. 

Um sich selbst besser zu erkennen: Unser Unbewusstes, unser Selbst äußert sich oft auf eher symbolische Art. Tagträume, Träume, Geschichten, Mythen, Projektionen, Fantasien, Zeichen, die einen berühren, Bilder, die man "sieht", - in all dem können "Botschaften" aus unserem inneren Kern verborgen sein. Das gilt natürlich auch für ihre entsprechenden Ausdrucksformen wie Schreiben, Malen, Kommunizieren und Gestalten.

Um Verhaltensweisen zu ändern: Unsere Gedanken erzeugen Gefühle, unsere mentalen Bilder erzeugen Gefühle und diese Gefühle können entsprechende Verhaltensweisen auslösen, auch unerwünschte oder schädigende. Das bedeutet: Wenn Sie Ihr Verhalten ändern wollen, ist es oft hilfreich, an Gedanken und Bildern anzusetzen. Methoden wie das Neurolinguistische Programmieren (NLP) wollen diese Bilder ändern und beeinflussen. 

Um Geist und Körper zu heilen: Sowohl äußere wie innere Bilder lösen in uns messbare physiologische Reaktionen aus. Ein Schreckensbild kann zu gesträubten Haaren und Angst führen, ein angenehmes Bild kann beruhigen und entspannen. Manche Therapeuten oder Heilpraktiker arbeiten deshalb, wie erwähnt, auch gern mit "heilsamen Visualisierungen" und versuchen, für ihre Patienten passende heilsame (äußere oder innere) Bilder zu finden.

Diese Übungen helfen Ihnen, Ihre Vorstellungskraft zu verbessern

Schritt 1: Trainieren Sie Ihre Wahrnehmung

Je besser Ihre Wahrnehmung ist, desto besser wird auch Ihr Vorstellungsvermögen sein.

Übungsvorschläge:
  • Schauen Sie aus dem Fenster. Studieren Sie zum Beispiel den Baum gegenüber, seine Blätter. Konzentrieren Sie sich auf ein einziges Blatt. Oder lassen Sie im Gegenteil den Baum als Ganzes mit seinen Bewegungen im Wind auf sich wirken. Eine Alternative: Können Sie das Spinnennetz an Ihrem Fenster sehen? Sehen Sie, wie es sich im Wind bäumt und dehnt?
  • Betrachten Sie den Raum, in dem Sie sich befinden: Welche Gegenstände sind grün? (Oder eine andere Farbe.)
  • Wie sieht Ihre Katze aus, wenn sie läuft? (Ein anderes Tier, ein Mensch?)

Schritt 2: Trainieren Sie Ihre Erinnerung

Je besser Ihr Erinnerungsvermögen ist, desto besser können Sie sich das, was Sie wahrgenommen haben, wieder ins Gedächtnis rufen.

Übungsvorschläge: 
  • Versuchen Sie, sich so viele grüne Gegenstände wie möglich zu merken. (Oder Gegenstände einer anderen Farbe.)
  • Schauen Sie sich alte Fotos Ihrer Katze an. (Oder von einem anderen Tier, einem Menschen.)
  • Führen Sie ein Traumtagebuch und halten Sie Ihre Träume fest.

Schritt 3: Rufen Sie sich Ihre wahrgenommenen Bilder in Erinnerung

Versuchen Sie nun, sich das, was Sie wahrgenommen haben, wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Übungsvorschläge:
  • Rufen Sie sich zum Beispiel einen Baum in Erinnerung, vielleicht auch verschiedene Baumarten.
  • Wie war das mit dem (von mir vorgeschlagenen) Spinnennetz? Können Sie es auch mit geschlossenen Augen sehen?
  • Und die (ebenfalls von mir vorgeschlagene) Katze? Können Sie eine kleine, wahrgenommene Szene vor Ihrem geistigen Auge sehen? Zum Beispiel die leichten x-Beine, die Wellen, die sich vom Kopf bis zum Schwanz durch das Fell und über den Körper bewegen, wenn Ihre Katze sich in leichten Trab setzt?

Schritt 4: Verändern Sie die wahrgenommenen Bilder

Die Vorstellungskraft geht über bloße Erinnerung hinaus. Sie verändert, erschafft, greift in die Zukunft. Machen Sie es ihr nach.

Übungsvorschläge:
  • Spielen Sie in Gedanken mit dem Baum. Setzen Sie ihm zum Beispiel einen Weihnachtsstern auf oder geben Sie ihm Arme und lassen Sie ihn damit den Wind peitschen.
  • Ihr tatsächliches Spinnennetz war leer? Erschaffen Sie dann die Spinne dazu.
  • Die Katze hat in Wirklichkeit ihren Schwanz einfach schleifen lassen? Dann lassen Sie diesen nun muntere Kringel in die Luft zeichnen.

Schritt 5: Erzeugen Sie neue mentale Bilder

In Schritt 4 haben Sie Bilder geändert. Versuchen Sie jetzt, neue Bilder zu erschaffen.

Übungsvorschläge:
  • Überlegen Sie, wie Sie die Pflanzen in Ihrem Zimmer neu anordnen können.
  • Nehmen Sie an einer Fantasiereise teil und versuchen Sie, deren "Bilder" und Beschreibungen vor dem geistigen Auge zu sehen.
  • Tagträumen Sie und verpassen Sie der Katze ein dickes, fettes Grinsen ins Gesicht. :-)

Schritt 6: Aktivieren Sie Ihre Fantasie und erschaffen Sie Neues

Auch hier können Sie gern wieder äußere Hilfsmittel nutzen und sich davon leiten lassen. Doch versuchen Sie jetzt, über äußere Anlässe und Rahmen hinauszugehen.

Übungsvorschläge:
  • Stellen Sie sich vor, Sie erben einen Bauernhof: Wie wollen Sie den alten Hofgarten neu gestalten?
  • Nehmen Sie die Muschel oder ein anderes Mitbringsel aus dem letzten Urlaub in die Hand: Wie könnte Ihr nächster Urlaub dort aussehen? Was wollen Sie sehen oder tun?
  • Versuchen Sie, die Welt aus der Perspektive Ihrer Katze zu sehen: Was könnte sie über die Mittagshitze denken? Wie mag Ihre Katze das Spinnennetz sehen?

Schritt 7: Nutzen Sie weitere äußere Hilfsmittel

Gibt es Dinge oder Methoden, die Ihre Vorstellungskraft steigern? Dann greifen Sie gezielt zu ihnen. Finden Sie Ihre ganz eigenen "Auslöser" oder "Verstärker". 

Übungsvorschläge:
  • Legen Sie zum Beispiel eine Zielcollage an. (Hierbei sammeln Sie alles, was Sie bewusst oder unbewusst mit einem Ziel verbinden.)
  • Sammeln Sie Material für ein Schreibjournal. (Hierbei sammeln und notieren Sie zum Beispiel alles, was Sie vielleicht schreibend verarbeiten wollen, wozu Sie noch weiter recherchieren wollen, was Ihnen beim Schreiben passiert ist usw.)
  • Lernen Sie, "auf Zufälliges zu lauschen", dieses achtsam wahrzunehmen.

Schritt 8: Äußern Sie sich "ins Außen"

Wie ich oben schon erwähnte, ist Vorstellungskraft mehr als reine Fantasie. Über ein gutes Vorstellungsvermögen und die Fähigkeit, mentale, geistige Bilder zu erschaffen und vor Ihrem inneren Auge zu sehen, können Sie zum Beispiel auch in Kontakt mit sich selbst und Ihrem Unbewussten treten. Dabei kann auch eine "Verfremdung" helfen: Äußern Sie sich "ins Außen", also nach außen, auf äußere Weise, und klopfen Sie diese Äußerungen auf Botschaften über sich selbst ab.

Übungsvorschläge:
  • Schreiben, malen, gestalten Sie. Nehmen Sie sich ein Thema oder bringen Sie sich in eine "meditativ-reflexive" Stimmung und malen Sie anschließend einfach drauflos. Das, was Sie produzieren, muss nicht, kann aber etwas über Sie aussagen: Welche Farben Sie (gerade) mögen. Welche Werte Ihnen (gerade) wichtig sind. Woran Sie intensiver gedacht oder was Sie genauer wahrgenommen haben. (Nämlich Ihre Katze.) Üben Sie anschließend auch die Interpretation.
  • Sprechen Sie mit jemandem über das, was Ihnen gerade auf dem Herzen liegt oder Sie beschäftigt. Auch im Dialog wird sich Ihr Unbewusstes entfalten und sich in Spuren äußern. Und je besser Ihre Selbstbeobachtung beziehungsweise Ihre Beobachtungsgabe und Ihr Erinnerungsvermögen sind, desto mehr wird Ihnen über sich selbst auffallen. Bitten Sie gegebenenfalls auch andere um Feedback. 
  • Achten Sie auf Ihre Träume, Wünsche, Fantasien, aber beispielsweise auch auf Ihre Projektionen und Ratschläge (also auf das, was Sie im anderen sehen, beziehungsweise auf das, was Sie dem anderen mitgeben wollen). Auch in diesen Dingen drücken sich Ihre Vorstellungskraft wie buchstäblich Ihre Vorstellungen aus. 

Copyright Heike Thormann
Auf dieser Webseite veröffentlicht am 19.1.2024
Erstveröffentlichung 2014, letzte Überarbeitung 2024

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